Ein Termin ist schnell gefunden - Ende August soll es sein. Da ist bestimmt auch das Wetter beständiger. Ist es zwar nicht, aber in der fraglichen Woche dann doch ausreichend gut zum Fliegen.
Am Tag nach der Anreise steht also die Alpeneinweisung auf dem Programm. Zunächst etwas Theorie - aber moderat. Der "Sepp", also Josef Bergmann, erklärt die Problematiken beim Flug in den Alpen: Wind im Lee von Bergen, Rotoren, Thermik auf der sonnenbeschienenen Hangseite, Seile von Seilbahnen und vieles mehr. Klingt alles sehr spannend und aufregend - aber schon so, als könnte man es lernen. Wir machen also eine Flugplanung, zeichnen die Strecke auf die Karte und rechnen die Kurse und Flugzeiten der einzelnen Legs aus. Viele Legs, denn wir wollen/müssen ja durch die Täler fliegen, und die sind nicht sehr gradlinig. Dann noch das Wetter und KOSIF machen. KOSIF? ja, das ist eine Veröffentlichung bei der Schweizer Skyguide, in der die aktuellen Gebiete mit Schießübungen gezeigt werden. Nicht ganz unwichtig -- da will man nicht rein!
Dann noch einen Flugplan aufgeben: Mein erster Flugplan überhaupt. Aber für die Schweiz auch bei Überflügen Pflicht, bei Landungen sowieso. Wir machen das per Internet beim deutschen AIS. Dann gehts los. Unser Falke, die D-KASH, entspricht in etwa der India Sierra, hat also auch das Dreibein Fahrwerk und den 80 PS Rotax, allerdings noch ein feines Extra: Einen 79 l Tank. Damit kommt man schon ein Stück weiter...
Erstmal gehts auf der 25 raus und gleich nach links Richtung Süden. Vor uns liegt ein unbeschreibliches Panorama: Die Alpen! Ich fliege tatsächlich in die Alpen! Das Wetter ist toll: Warm aber nicht zu warm, Wolken, aber nicht zu viele, wenig Wind. Vor uns öffnet sich das erste Tal und wir nehmen Kurs auf Sonthofen. Das Tal ist schön breit, und Sepp zeigt und erklärt die Regeln: Nicht in der Talmitte fliegen, mann muss sich ausweichen können. Flugrechtlich sollte man nach Möglichkeit auf der rechten Talseite fliegen, allerdings macht man bei Sonnenschein in der Regel "meteorologische Navigation". Das heisst, man fliegt so, dass man die Thermik auf der sonnenbeschienenen Seite des Tals ausnutzt. Dabei jedoch immer bedenken, von wo der Wind kommt, denn im Lee der Berge gibt es i.d.R. Abwinde oder gar Rotoren. Wenn man in einen Abwind hineinkommt, dann gilt: NICHT ziehen - drücken! Fahrt aufnehmen und so schnell wie möglich die Abwindzone durchfliegen. Und noch etwas lerne ich in diesem ersten Tal: Wie nah man an die Berghänge fliegen kann/soll/muss. Allein hätte ich mich das nie getraut, aber Sepp ist erfahren und zeigt mir, wie man in der Hangthermik Höhe gewinnt: Man fliegt 8-en entlang des Hangs. Das ist wichtig, wenn man z.B. über einen Pass will, aber noch nicht die erforderliche Höhe dazu hat. Dann muss man auf diese Weise Höhe gewinnen - wenn die Motorkraft alleine nicht ausreicht (was wohl in den meisten Fällen so sein dürfte). Wichtig bei Passüberquerungen ist auch, dass man genug Sicherheitshöhe hat (Passhöhe + 1000 ft) und dass man den Pass erst überfliegt, wenn man festgestellt hat, dass dahinter weder Wolken noch Nebel hängen und auch kein Gegenverkehr kommt.
Und auch die Seilbahnen sind eine Gefahr für den Alpenflieger. Teilweise sind die Seile sehr hoch über dem Boden und meist sehr schlecht sichtbar. Sepp zeigt mir eine richtig fiese Stelle, an der einmal ein Seil gewesen ist. Das ist so etwas wie eine Senke auf einem Bergrücken. Also eine Stelle, die für einen Piloten generell eine geeignete Stelle zum Überqueren des Berges darstellt. Das Seil wurde später anders gelegt, also entlang der Senke näher am Boden. Trotzdem - man muss schon sehr auf der Hut sein.
Was ich bei der Alpenfliegerei erstaunlich schwierig finde: die Orientierung behalten. Als Flachlandflieger dachte ich, das sei hier viel einfacher, weil man ja die Berge als Hilfe hat. Aber die Täler sind sich doch recht ähnlich, und man muss wirklich immer mit dem Finger auf der Karte bleiben, um zu wissen wo man ist. Besser ist, man zeichnet mit einem dicken Bleistift den schon geflogenen Weg möglichst ständig nach. Das erleichtert die Orientierung sehr.
Wir fliegen dann durch viele Täler und mehrere Pässe in die Schweiz nach Samedan (LSZS). Übrigens Europas höchstgelegener Verkehrslandeplatz. Dort landen wir, machen Zoll und Einreiseformalitäten. Dann geht es weiter nach Nordwesten, kurz über Italien Richtung Österreich. Den eigentlich geplanten Rückweg über Innsbruck kürzen wir aus Zeitgründen etwas ab. Vorbei an der Zugspitze stoßen wir dann bei Landeck wieder auf den Inn. Etwas den Inn entlang, dann über den mit Autos zugestauten Fern Pass zurück auf die Alpen-Nordseite. Noch ein kurzer Schlenker über den Vilsalpsee, den ich schon vom Umwandern kenne. Wow! Was für ein Flug...
Eins habe ich bei diesem Flug ganz bestimmt (kennen)gelernt: Meine eigenen Grenzen. Ich weiss, dass ich mit meinen knapp zwölf Monaten Flugergfahrung das hier noch nicht alleine kann.
Morgen steht dann erstmal wandern auf dem Programm und am Wochenende dann der Schweizflug.
Alpenflug-Wissen:
Die "Essentials" - soweit sie mir im Gedächtnis geblieben sind - nochmal als Stichpunkte:
- Normalerweise (luftrechtlich) auf der rechten Talseite fliegen.
- Bei Sonnenschein/Wind so fliegen, dass man auf der Talseite mit Aufwind ist.
- Abwinde zügig durchfliegen. Bei Abwind niemals ziehen - immer drücken!
- Berghänge immer im 45° Winkel anfliegen. Um vom Hang weg zu kommen, braucht man dann nur eine 90° Kurve.
- Beim Einkurven in andere Täler immer so fliegen, dass das Tal einsehbar ist. Niemals nah um einen Hang herum in ein anderes Tal fliegen.
- Vorsicht in Tälern: Stehts so fliegen, dass Umkehr möglich ist.
- Pässe mit ausreichend Sicherheitshöhe (1000 ft) überfliegen.
- Zum Höhe gewinnen Aufwind suchen, darin 8-en entlang des Hangs fliegen.
- Pässe nur überfliegen, wenn das dahinterliegende Tal einsehbar, frei von Wolken/Nebel ist, und kein Gegenverkehr zu befürchten ist.
- Vorsicht vor Lee-Winden und Rotoren.
- Vorsicht vor Seilbahnen: Stehts Bergstationen und zugehörige Talstationen, sowie Seilstützen suchen. Dazwischen ist ein Seil!!!
Medien: